Levi Goldschmidt

Levi Goldschmidt wurde am 29. Oktober 1877 in Stadtlohn als Sohn einer dort alteingesessenen jüdischen Familie geboren. Er war das jüngste Kind aus der Ehe seines verwitweten Vaters, des Metzgers und Viehhändlers Meyer Goldschmidt (1825-1896), mit seiner zweiten Frau Lisette Goldschmidt geb. Tenbrink (1834-1910). Aus der ersten Ehe waren fünf, aus der zweiten Ehe vier Kinder hervorgegangen; fünf der neun Kinder erreichten das Erwachsenenalter nicht.

 Levi war geistig beeinträchtigt. Er wuchs im Haushalt seiner Eltern mit den Geschwistern auf. Später nahm sein acht Jahre älterer Bruder Samuel Goldschmidt (1869-194?) sowohl die Eltern als auch den kranken Bruder auf. Samuel, der sein Geld wie schon Vater und Großvater als Metzger, Händler und Viehhändler verdiente, war zweimal verheiratet; sowohl seine Ehe mit Helene geb. Lilie (1867-1927) als auch die mit Henriette geb. Herz (1889-194?) blieben kinderlos.

 Levi Goldschmidt wohnte Hook 2. Er wird im Stadtlohner Adressbuch von 1925 als „Händler“ bezeichnet – vermutlich ging er seinem älteren Bruder Samuel bei dessen Arbeit zur Hand, soweit es ihm möglich war.

1930 traten entscheidende Änderungen ein: Am 6. März 1930 wurde der 52-jährige Levi als Patient in der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein aufgenommen. Auch sein Bruder Samuel verließ Stadtlohn und zog im Dezember 1930 mit seiner Frau nach Coesfeld. Beide wurden von dort 1941 nach Riga deportiert und ermordet.

 Levi Goldschmidt kam also nach Idstein in Hessen in die überkonfessionelle Einrichtung des Kalmenhofs, die bis zum Beginn der NS-Zeit als reformorientiert gilt und ihren Bewohnern ein Leben mit sinnvollen Tätigkeiten bot. Für Levi dokumentiert das dortige Aufnahmebuch die Diagnose „Schwachsinn mittleren Grades, Erreg.[ungs]-Zustände“. Er verbrachte mehrere Jahre im Kalmenhof, bis er am 6. Dezember 1937 nach Weilmünster verlegt wurde. Hier herrschte den Patienten gegenüber ein strenger und disziplinierender Ton, dem Levi rund sechs Wochen ausgesetzt war. Dann wurde er am 19. Januar 1938 in die Provinzial-Heilanstalt nach Gütersloh geschickt; diese Verlegung hatte wahrscheinlich wirtschaftlich-organisatorische Hintergründe.

Als jüdischer Langzeitpatient in der Psychiatrie aber waren seine Lebenschancen besonders bedroht – er fiel der NS-Euthanasie - der sogenannten "Aktion T4" - zum Opfer. Zusammen mit 18 weiteren jüdischen Patientinnen und Patienten wurde Levi Goldschmidt am 21. September 1940 von Gütersloh aus in die Heilanstalt Wunstorf bei Hannover verlegt. Sie erwies sich als Sammelstelle und Zwischenstation auf dem Weg in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel. Dort im alten Zuchthaus Brandenburg wurde Levi Goldschmidt einen Monat vor seinem 63. Geburtstag am 27. September 1940 im Gas ermordet – als einer von 158 psychisch Kranken jüdischer Abstammung, die an jenem Tag dasselbe Schicksal erlitten. Dem Stadtlohner Standesamt wurde angezeigt, dass Levis Tod angeblich am „4.2.1941 in Cholm“ eingetreten sein sollte. Mit diesen fingierten Angaben versuchten die Nationalsozialisten den verübten Krankenmord zu verschleiern.

Der Stolperstein wurde am 10. Dezember 2018 verlegt.