Familie Sturmlaufer


Im Hause Rezepterstraße 10 wohnte bis 1938 die Familie des jüdischen Altwarenhändlers Nathan Nisen Sturmlaufer.

Im Jahre 1900 waren die Eltern von Nathan, der am 30. Juli 1896 in Lanzhut / später Lancut, in Galizien, damals Österreich, geboren wurde, nach Berlin gezogen. Dort lebten sie mit österreichischer Staatsangehörigkeit.

Im Mai 1916 wurde Nathan in Amsterdam als Ausländer registriert. Er heiratete im Juni 1919 Lena Versteeg aus Haaksbergen. Sie wurde dort am 4. Juni 1893 geboren. Das Paar verlegte seinen Wohnsitz hierher nach Stadtlohn, wo Lenas Mutter geboren war und schon ihre Schwester Bertha, verheiratete Falkenstein lebte. Hier in Stadtlohn wurden die beiden Kinder geboren: der Sohn Meier  Erich am 9. August 1920 und die Tochter Ilse am 7. April 1924.

Nathan Sturmlaufer betrieb einen Altwarenhandel. Die Familie lebte zur Miete in einem Haus des Schwagers, des jüdischen Metzgers Paul Falkenstein, hier in der Rezepter­straße 10.

Nathans Geburtsort war nach dem Ersten Weltkrieg an Polen gefallen. Für die Nationalsozialisten galt er daher als polnischer Jude. Am 28. Oktober 1938 wurde er mit seiner Familie durch die Polizei in Stadtlohn verhaftet, nach Recklinghausen überführt und in der sogenannten "Polenaktion“ nach Polen ausgewiesen, obwohl er nach eigener Aussage nie die polnische Staatsangehörigkeit besessen hatte. Sein Sohn Meier Erich wurde jedoch bei mehreren Eintragungen der Meldebehörde als Pole bezeichnet.

Beim Einmarsch der deutschen Truppen nach Polen 1939 flüchtete die Familie nach Russisch-Polen. Von dort wurde sie 1941 nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion nach Osten deportiert. In Samarkand in Usbekistan mussten die Sturmlaufers in einer Lehmhütte hausen. Der Sohn Meier Erich starb dort an Hunger.

Im Mai 1946 begab sich Nathan Sturmlaufer mit seiner Ehefrau Lena und Tochter Ilse auf dem Wege über die Tschechoslowakei und Österreich in das Lager Camp Bleidorn in Ansbach in Bayern. Von diesem Lager für „Displaced Persons“ aus beabsichtigte er nach Stadtlohn zurückzukehren. Im Dezember 1946 stellte er hier einen Antrag auf Zuweisung von möbliertem Wohnraum. Die Bemühungen der Stadt Stadtlohn um eine Wohnung für die Familie zogen sich das ganze Jahr 1947 hin, da es infolge der fast vollständigen Kriegszerstörung der Stadt an geeignetem Wohnraum mangelte.

Die Familie Sturmlaufer emigrierte schließlich mit Ilses Ehemann Leiser Leo Fliegel, einem Cousin aus Nathans Familie, in die USA, nach New York. Dort lebte sie in den Stadtteilen Brooklyn und später auch Staten Island.

Ilse Fliegel geb. Sturmlaufer starb im Juli 1984, ihre Mutter Lena im Juli 1986 und der Vater Nathan Sturmlaufer im Januar 1988.

Das Haus in der Rezepterstraße wurde nach der Pogromnacht 1938 als Ghettohaus für die jüdischen Familien Lebenstein, Falkenstein und Meyers genutzt, bis diese im Dezember 1941 nach Riga deportiert wurden. Am 11. März 1945 wurde es bei der Bombardierung der Stadt vollkommen zerstört.


Die Stolpersteine wurden am 18. Dezember 2023 verlegt.